STANDARDS OF PRACTICE – Richtlinien für die Berufsausübung

Bitte beachten: Diese Übersetzung ist eine Service-Leistung der ERA und dient dem besseren Verständnis für deutschsprachige Studenten. Rechtlich bindend ist die englische Originalversion.

I. Überblick

Rolfing® Strukturelle Integration, ursprünglich von Dr. Ida P. Rolf entwickelt, basiert auf der Annahme, dass Lebensqualität und Wohlbefinden teilweise auf der persönlichen Anpassungsfähigkeit an die Schwerkraft beruhen. Rolfing® Strukturelle Integration ist ein Ansatz, Menschen dabei zu helfen, mit mehr Leichtigkeit, Anmut und Effizienz im Schwerefeld der Erde zu leben und zu funktionieren. Insbesondere hilft Rolfing® Strukturelle Integration, die Schwerkraft als Verbündeten bei der Manifestation der aufrechten Haltung, sowie bei den einzigartigen menschlichen Aktivitäten und Orten auf der Welt, die die aufrechte Haltung zulässt, zu nutzen.
Die Theorie und Praxis der Rolfing®-Methode berücksichtigt verschiedene grundlegende Annahmen über den Menschen an sich, den menschlichen Körper und die physische Struktur. Es beachtet und beeinflusst gleichermaßen den gesamten Zustand unseres Seins.

Grundsätzlich gehen Rolfer™ davon aus, dass die Schwerkraft so sehr unser Dasein und unsere Erfahrung beeinflusst, und diese als relevanter Faktor, der unser Leben beeinflusst, meist übersehen oder vergessen wird.

Ebenso fundamental ist die Erkenntnis, dass jeder Mensch seine ihm eigenen internen Muster für bestmögliche Organisation von Form und Funktion hat, und dass diese Muster in Essenz selbst-organisierend sind. Die Intention von Rolfing® ist, die Muster einer Person zu identifizieren und gezielt anzusprechen, wenn sie ihn oder sie von höherem Ordnungs- und Funktionsniveau abhalten.

Rolfer™ glauben, dass die menschliche Struktur nicht fest ist, sondern im Gegenteil höchst veränderbar. Die Struktur kann sich über die Zeit verschlechtern, zum Beispiel aufgrund von Verletzungen, Trauma, Gewohnheiten und sich wiederholenden Mustern, die natürliche Bewegung verhindern und die zu chronischen Einschränkungen im Gewebe führen können. Nichtsdestotrotz kann Struktur sich auch verbessern, und zwar an fast jedem Punkt im Leben.

Wenn Rolfer™ den Begriff Struktur in Bezug zum menschlichen Körper verwenden, beziehen sie sich auf die Verbindungen zwischen den Körperteilen und Segmenten (Füße, Beine, Becken, Oberkörper, Kopf, etc.), die dazu tendieren, über die Zeit konstant zu sein. Allerdings beinhaltet ein Verständnis von Struktur viel mehr als nur die physischen Teile. Im breiteren Sinn ist hier gemeint, wie gut eine Person in Balance und in allen Dimensionen funktional ist. Tatsächlich beachten Rolfer™ alle Aspekte einer Person – physisch und spirituell; emotional, wahrnehmend und kognitiv; sozial und bezüglich seines Verhaltens. All diese manifestieren sich in der körperlichen Struktur und in ihrer Beziehung zur Schwerkraft.

Für Rolfer™ ist das physische Körperorgan, das die Struktur bestimmt, die Matrix des Bindegewebes (inklusive Faszien, Bändern und Knorpel). Bindegewebe ist charakterisiert durch seine Kontinuität durch den Körper und durch seine Fähigkeit, sich an einem Ort an Veränderungen an einem anderen Ort anzupassen. Indem die Bindegewebematrix als Ganzes betrachtet wird, gehen Rolfer™ darüber hinaus, Körperteile isoliert wahrzunehmen, sondern sprechen das physische Organisationsmuster der ganzen Person an. Ein großer Anteil des Repertoires eines RolfersTM besteht aus praktischen Handgriffen und Interventionen, um Veränderung durch die Bindegewebematrix herbeizuführen, und damit das gesamte Muster struktureller Organisation zu verbessern. Das Repertoire beinhaltet verschiedenste Berührungsqualitäten und die Fähigkeit, sowohl lokale Veränderungen im Gewebe als auch im ganzen System zu beobachten und wahrzunehmen.
In Verbindung mit der praktischen Arbeit an der Bindegewebematrix beinhaltet Rolfing® auch Bewegungsaspekte, die sich auf funktionale Muster beziehen. Diese Muster entstehen oft durch die Art, wie wir uns wahrnehmen und welche Bedeutung wir uns selbst und unserer Umgebung zuschreiben. Bewegungsarbeit wirkt auf diese Funktionsmuster ein, indem direkt Kontakt mit der subjektiven Erfahrung und Wahrnehmungsgewohnheiten des Klienten aufgenommen wird. Dadurch werden Veränderungen in Koordination und Ausdruck herbeigeführt. Diese wiederum vertiefen die physischen Strukturveränderungen und erlebten Erfahrungen und helfen dem Klienten, die Veränderungen umzusetzen und zu erhalten. Bewegungsarbeit geht in das Innerste der Muster von Ausdruck und Bedeutung des eigenen Selbst eines Klienten. Es geht um Verbindung zu sich selbst, der Umgebung und zu anderen. Dadurch wird die gesamte Struktur, Funktion und Organisation als Ganzes in der Schwerkraft weiter entwickelt.

Das Ziel von Rolfing® ist, die Ordnung einer Person als Ganzes zu verbessern, und nicht das Lindern von Symptomen. Dieser Fokus auf die gesamte strukturelle und funktionale Balance – im Gegensatz zur Symptomerleichterung – ist ein Schlüsselelement, welches Rolfing® von der klassischen Medizin und von vielen anderen körperlichen Behandlungsansätzen unterscheidet.

Indem sie erkennen, dass die Person ein vereinigtes strukturelles und funktionales Ganzes ist, nutzen Rolfer™ den Begriff Integration, wenn sie über die Beziehung zwischen den Körperteilen untereinander und zu dem Ganzen sprechen. Integration bezieht sich auf harmonische und effiziente Beziehungen zwischen den Körperteilen und Untersystemen, die den gesamten menschlichen Organismus ausmachen, genauso wie Beziehungen zwischen einem Menschen und seiner Umgebung.

Als eine körperorientierte Anwendung beeinflusst Rolfing® den Menschen durch die physische Struktur und den funktionalen Ausdruck. Nichtsdestotrotz verstehen wir, dass die Struktur das Produkt aller Aspekte unserer Erfahrung ist. Rolfer™ legen Wert auf die interne Erfahrung und Wahrnehmung des Klienten als Teil der Erforschung struktureller Veränderung. Das Bewusstsein und die Wahrnehmung des Klienten sind ebenso wichtig für die Organisation und Integration wie Veränderungen im Bindegewebe.

II. Definition von Rolfing® – Strukturelle Integration

Rolfing® Strukturelle Integration ist die Theorie und Praxis davon, den menschlichen Körper im Schwerefeld der Erde zu organisieren. Das Ziel der Arbeit ist, die strukturelle Integrität eines Menschen zu erweitern, was sich in der Fähigkeit äußert, mühelos in Beziehung zur Umwelt zu funktionieren. Rolfing® erreicht dies, indem Ungleichgewicht in der Bindegewebsmatrix des Körpers angesprochen wird. Außerdem wird der Klienten dahin geführt, dass er stärker funktionale Möglichkeiten bezüglich Bewegungsmuster, Wahrnehmung und Kognition findet.

III. Die Praxis des Rolfing® und die professionelle Entwicklung des RolfersTM

Im Folgenden werden bestimmte Schlüsselbegriffe und Konzepte dargelegt.

A. Das “Rezept”

Ida P. Rolf1 entwarf eine Grundstrategie, um strukturelle Integration als Serie von zehn Sitzungen (das „Rezept“) anzuwenden. Im Allgemeinen, aber nicht notwendigerweise, basiert die erste Rolfing®-Serie für einen Klienten auf der formalen Strategie der Zehnerserie von Ida P. Rolf. Nichtsdestotrotz hängen die Anzahl und der genaue Inhalt einer Sitzung für einen bestimmten Klienten davon ab, welche Bedürfnisse und Hauptinteressen ein Klient hat. Einfluss hat auch das Ausbildungs- und Erfahrungsniveau des Anwenders.

Dr. Rolf entwickelte das Rezept als Protokoll, um die Lehre und Verbreitung ihrer innovativen Sichtweise voranzubringen. Es ist ein formales Unterrichtsprotokoll und generell eine effiziente Strategie. In der Praxis wird das Rezept an die natürliche Variation menschlicher Struktur angepasst, genauso wie an die einzigartige Weise, in der jeder Klient die Umstände und seinen Einsichtsprozess erlebt.

B. Berücksichtigt der individuellen Bedürfnisse des Klienten

Als ganzheitliche Praktizierende erkennen Rolfer™, dass ein Mensch ein sich selbst-regulierendes und selbst-organisierendes System ist, bei dem alle Aspekte miteinander in Verbindung stehen und voneinander abhängen. Diese Aspekte einer Person beinhalten für den Rolfer™ räumliche, geometrische und biomechanische Beziehungen innerhalb des physischen Körpers; außerdem Einflüsse von Wahrnehmung und Kognition auf die physische Funktion; psycho-biologische Faktoren der Emotionen, Kultur und Umwelt eines Menschen; und die energetische Komponente vom persönlichen Erleben der Vitalität und Wohlbefinden. Rolfer™ erkennen auch die Bedeutung existenzieller oder spiritueller Dimensionen innerhalb des Prozesses des Klienten an.

Indem diese miteinander verwobenen Aspekte eines Ganzen berücksichtigt werden, erkennt der Rolfer™, dass jeder Aspekt eines Menschen alle anderen reflektiert, und dass demnach eine Intervention an einem davon die anderen beeinflusst. Deswegen wird jegliche Intervention nur zu dem Grad effektiv sein, wie der Klient sich daran anpassen und in seinem gesamten Wesen Unterstützung finden kann.

Rolfer™ erkennen auch an, dass jeder Mensch Zeit braucht, die Rolfing®-Interventionen zu integrieren. Indem das Bedürfnis nach Abschluss erfüllt wird, hat jede Sitzung oder Serie ihr Ende, sobald der Klient das höchste Organisationsniveau erreicht hat, und dieses auf allen Ebenen seines Wesens verfügbar ist.

C. Ein “Rolfer™”

Weil Rolfing® als Prozess im Kontext einer Beziehung zwischen Rolfer™ und Klient stattfindet, ist ein wichtiger Teil der Rolfing®-Leistung, dass der Rolfer™ bestimmte Qualitäten an sich selbst erfahren hat, in sich verkörpert und bestimmte Qualitäten in sich abrufen kann. Der Rolfer™ muss in seiner Präsenz und Person als Vorbild dienen, und damit die Qualitäten und Charakteristiken transportieren, die Rolfing® im Klienten erwecken will. Damit wird von einem Rolfer™ erwartet, dass er, zusätzlich zum Erwerb von Kompetenz in Theorie und Praxis des Rolfing®, selbst strukturelle und funktionale Qualitäten von Integration und Balance in der Schwerkraft in sich verkörpert.

RolfernTM wird nahe gelegt, die Arbeit ständig experimentell zu erforschen, die sie in der zertifizierten Ausbildung und in stetiger Weiterbildung lernen. Die Qualitäten, die aus dieser Mischung von Theorie, Praxis, Reflexion und Erfahrung entstehen, sind notwendig für effektive Rolfing®-Praxis, und gehen über Strategie, Technik oder Taktik weit hinaus. Ein Mensch, der diese Qualitäten eines RolfersTM nicht in sich verinnerlicht und manifestiert, kann Rolfing®- Ergebnisse nicht durch schlichtes Befolgen des Rezepts oder Imitation von Techniken erreichen.

D. Stufen von Ausbildung und Zertifizierung

Rolfer™ werden nur vom Rolf Institute® of Structural Integration ausgebildet und zertifiziert. Das Rolf_Institute® bildet aus und zertifiziert die Anwender in drei Stufen: Certified Rolfer™, Advanced Rolfer™, und Rolf Movement™ Practitioner.

Certified Rolfer™ sind dazu ausgebildet, die Grundserie basierend auf der Strategie von zehn Sitzungen und elementarer Arbeit mit Rolf Movement anzuwenden. Es ist erlaubt, dass sie im Rahmen der Interventionsprinzipien die Zehnerserie-Strategie angemessen variieren – und sogar außerhalb davon zu arbeiten, wenn die Bedürfnisse des Klienten und dessen Wohl dies erfordern.

Die Grundserie führt den Klienten auf eine höhere Organisationsstufe – die auch über den Behandlungszeitraum hinaus erlaubt, sich weiter spontan zu verbessern. Wenn die Grundserie befolgt und dem Klienten genug Zeit gelassen wird, die Erfahrung zu integrieren, kann der Klient weiterführende Arbeit erhalten. Dies dient dazu, entweder die in der Grundserie erreichten Ergebnisse aufzufrischen oder ein noch höheres Niveau zu fördern. Arbeit, die auf die Grundserie folgt, ist in ihrer Natur ohne vorgeschriebene Form, obwohl sie weiter die Interventionsprinzipien beachtet. Ein Certified Rolfer™ ist dazu ausgebildet und es ist ihm erlaubt, auch Klienten, die schon ihre Basisserie erhalten haben, Sitzungen zu geben. Nichtsdestotrotz ist ein Advanced Rolfer™ zusätzlich dazu ausgebildet, Arbeit außerhalb der Strategie der Zehnerserie und darüber hinaus durchzuführen.

Der Rolf Movement Practitioner ist dafür ausgebildet, tief greifend die Organisation eines Klienten aus funktionaler Perspektive in Bezug zur Schwerkraft zu verbessern.

IV. Beschränkungen und Grenzen von Rolfing®

A. Grenzen von Rolfing®

Ein Rolfer™ diagnostiziert oder behandelt weder Krankheiten, noch physische oder psychische Störungen irgendeiner Art. Rolfing® ist kein Ersatz für medizinische oder psychologische Diagnose oder Behandlung. Obwohl der Klient möglicherweise Erleichterung verschiedener Symptome verspürt, ist diese Erleichterung nicht das Ziel des Rolfing® per se, sondern ist ein Beiprodukt der verbesserten Organisation der gesamten Person.

B. Techniken, Modalitäten und Standardanwendung von Rolfing®

Weil die Essenz des Rolfing® in den Zielen und Prinzipien liegt und nicht in spezifischen Techniken, hat Rolfing® eine reiche Tradition darin, verschiedene Elemente anderer Körpertherapieformen einzubauen. Der Gebrauch eines bestimmten Elements im Rolfing®-Kontext wird als Standardanwendung des Rolfing® angesehen, wenn und in dem Umfang, in dem diese im offiziellen Curriculum der RISI enthalten ist und in einer RISI-zertifizierten Ausbildung auftaucht, oder Teil des RISI-anerkannten kontinuierlichen Weiterbildungsprogramms ist. Dies soll nicht so interpretiert werden, das es RISI verboten ist, kontinuierliche Weiterbildungsangebote mit Themen außerhalb der Standard-Rolfing®-Praxis anzubieten, so lange erkenntlich ist, dass sich dieser Kurs als nicht-Rolfing®-Standard klar identifizieren lässt.

Rolfer™,, die spezielle persönliche Kompetenzen hinsichtlich von Elementen besitzen, die nicht Teil der Rolfing®-Standardanwendung sind, dürfen diese Elemente in Verbindung mit Rolfing® unter folgenden Bedingungen anwenden:

  • Das Element fördert ganz klar den Rolfing®-Prozess;
  • Das Element erleichtert die Arbeit erheblich oder macht sie effektiver für den Klienten und für den Anwender;
  • Der Rolfer™ hat keinen Grund anzunehmen, dass die Anwendung des Elements signifikanten nachteiligen Effekt auf diesen speziellen Klienten zum Zeitpunkt der Verwendung hat; und
  • Der Rolfer™ informiert den Klienten, dass das Element nicht innerhalb der Rolfing®- Standardanwendung ist.

Weil Rolfing® durch seine Tradition eine Körperarbeit ist, ist die Nutzung von nicht-körperlichen Interventionen als Ersatz oder zur Ergänzung von praktischen Griffen nicht Teil der Rolfing®- Standardanwendung. Ist der einzelne Rolfer™ in der Ausübung einer solchen Technik kompetent, wird ihm nicht verboten, dieses zu nutzen, um die Ziele der Rolfing®-Sitzung zu erreichen, so lange die oben genannten Bedingungen erfüllt sind.


1 Terminologie-Hinweis: Die Arbeit von Dr. Ida P. Rolf ist heutzutage bekannt und verbreitet nach ihrem ursprünglichen und bevorzugten Begriff „Strukturelle Integration“. Rolfing® (genauer gesagt Rolfing® Strukturelle Integration) bezieht sich auf die Arbeit von Absolventen und Mitgliedern des Rolf Institute® of Structural Integration, also der Schule, die von Dr. Rolf gegründet wurde, um ihre Arbeit zu unterrichten. Obwohl es heute verschiedene Schulen für Strukturelle Integration gibt und diese viel gemeinsam haben, ist die Intention diese Dokuments als Standard nur für die Absolventen und Mitglieder des Rolf Institute® of Structural Integration gedacht, die als Rolfer™ bekannt sind.