Jenseits von Yoga – Wie die Rolfing® Ausbildung meinen beruflichen Weg neu definiert hat

Ein Gespräch mit Renata Leung, Certified Rolfer® und Yogalehrerin, Enschede (Niederlande) 
 

Im ersten Teil unseres Gesprächs erzählte Renata Leung, wie Yoga ihr durch eine schwierige Zeit half – und wie Rolfing® Strukturelle Integration ihr eine tiefere innere Ausrichtung ermöglichte. 

In diesem zweiten Teil spricht sie darüber, wie die Rolfing® Ausbildung ihren beruflichen Weg neu geformt hat. Für sie ist Rolfing Strukturelle Integration nicht nur eine Methode, sondern eine neue Art, den Körper in der Schwerkraft, im Raum und in Beziehung zu erleben.  

Heute arbeitet sie als Rolferin® und beschreibt, wie dieses erweiterte Körperbewusstsein ihr Unterrichten, ihr Leben und ihre Haltung in der Welt nachhaltig verändert hat. Für Yogalehrer und andere Bewegungstrainer kann ihre Erfahrung eine Einladung sein, Rolfing Strukturelle Integration als Weg zu neuen beruflichen Perspektiven zu entdecken.  

 

Beziehung erfahren – was Rolfing® mir gezeigt hat 

Frage: Was bietet Rolfing, was Yoga allein nicht kann? 
 
Beziehung. 
 
Yoga ist für mich wie eine sanfte Einladung, die äußere Welt leiser werden zu lassen und zu mir selbst zurückzukehren – in meinen Körper, mein Zuhause. Yoga hilft, Stress abzubauen, Spannung zu lösen und wieder Frieden mit mir selbst zu schließen. Wundervoll! Aber das Leben besteht aus Beziehung – und ich kann nicht für immer nur in diesem stillen Raum bleiben. 
 
Rolfing Strukturelle Integration ist weit mehr als eine Methode, um den Körper aufzurichten. Es geht um Beziehung: zu mir selbst, zur Schwerkraft, zum Raum um mich herum, zu anderen Menschen. Wie nehme ich Raum ein? Wie bewege ich mich in ihm? Erlaube ich mir, Platz zu haben – oder mache ich mich klein, ziehe mich zurück, weil ich unsicher bin? 
 
Manche Menschen tun das Gegenteil: Sie versuchen, ihren Raum durch Anstrengung und Spannung zu behaupten, halten den Brustkorb weit geöffnet, sind ständig in Aktivität – aber sie können nicht loslassen. 
 
Ganz gleich, welche Muster wir haben: Rolfing Strukturelle Integration bietet einen einzigartigen Weg, gesunde Beziehung zu entwickeln – zu uns selbst, zur Schwerkraft, zum Raum und zu anderen. 

Rolfing® Strukturelle Integration ist viel mehr als eine Methode zur Körperaufrichtung – sie ist eine Praxis der Beziehung: mit der Schwerkraft, dem Raum und den Menschen um uns herum.“ 

Wie Rolfing® meine Yogapraxis verändert hat 

Frage: Hat deine Rolfing® Ausbildung beeinflusst, wie du heute Yoga unterrichtest? 
 
Ja, sehr. In meiner Yogalehrerausbildung habe ich gelernt: Eine Asana soll mit so wenig Anstrengung wie möglich entstehen – ohne zu pressen oder zu kämpfen. Das klingt wunderschön, aber bei kraftvollen Haltungen war es oft schwer umzusetzen. 
 
Durch Rolfing Strukturelle Integration wurde das anders. Ich habe gelernt, den Körper als Teil eines größeren Systems zu begreifen – in Beziehung zur Schwerkraft, zum Boden und zum Raum. Wenn ich das wahrnehme, muss ich mich nicht mehr „anstrengen“, um mich zu bewegen oder eine Haltung zu halten. Bewegung entsteht dann mit Leichtigkeit, weil der Körper die Kräfte um sich herum nutzt. 

Jenseits der Anstrengung 

Frage: Sowohl Yoga als auch Rolfing® fördern eine tiefere Verbindung mit dem Körper. Wie erlebst du den Unterschied? 

Beide Methoden führen über den Körper zu einer tieferen Verbindung mit mir selbst. Für mich sind es die sanftesten und zugleich kraftvollsten Wege, die ich kenne. 

Yoga hat mich gelehrt, loszulassen – den Zwang zur Leistung aufzugeben. Die meisten körperorientierten Praktiken sind mit Leistung und Anstrengung verbunden, besonders im Sport. Wir lieben es, bei den Olympischen Spielen zuzusehen und zu beobachten, wie Athleten ihre Grenzen verschieben. Das ist großartig – es erinnert uns daran, welches Potenzial im Menschen steckt. 

Aber wenn diese Haltung in unseren Alltag überspringt – und das tut sie oft –, entsteht ein Problem. Wenn Anstrengung und Leistung zu sehr in den Mittelpunkt rücken, verlieren wir leicht den Kontakt zu uns selbst und konzentrieren uns fast nur noch auf Ergebnisse, auf das Ziel, auf die „Ziellinie“. Ich sage nicht, dass Leistung und Anstrengung unwichtig sind – aber ich frage mich, ob wir ihnen manchmal zu viel Bedeutung beimessen. 

Ich habe viele Jahre so gelebt – bis ich mich völlig von mir selbst entfernt hatte. Dann kam Yoga – diese sanfte Einladung, in meinen Körper zurückzukehren, ohne Bewertung, ohne Erwartung eines Ergebnisses. Das war ein großer Wendepunkt in meinem Leben. Zum ersten Mal erlaubte ich mir, zur Ruhe zu kommen und all das loszulassen, was ich nicht kontrollieren konnte. Und da war sie – Freiheit. 

Rolfing® Strukturelle Integration hat diesen Weg vervollständigt, indem sie meine Aufmerksamkeit nicht nur auf meinen Körper, sondern auf den Körper im Raum lenkte. 

Ich sehe Yoga und Rolfing nicht als Gegensätze, sondern als zwei Wege, die sich ergänzen – Ida Rolf ließ sich ja selbst stark vom Yoga inspirieren. 

Ich sage immer: Rolfing® ist wie ein Aufbaustudium in Yoga.“ 

Balance in der Schwerkraft – Balance im Leben 

Frage: Rolfing betont die Bedeutung von Schwerkraft und räumlicher Wahrnehmung. Hat das deine Körpererfahrung verändert? 

Sehr! Erinnerst du dich an das Muster, das ich im ersten Teil beschrieben habe – diese Haltung von Unsicherheit und dem Gefühl, mich immer anstrengen zu müssen, um „da“ zu sein? 

In Rolfing Struktureller Integration steht die Wahrnehmung von Schwerkraft, Orientierung und Raum im Mittelpunkt – und das hat mir eine völlig neue Welt eröffnet. Das geht über den Körper hinaus, über das eigene Ich hinaus. 

Wenn mein Körper gut in der Schwerkraft organisiert ist und meine Wahrnehmung wach für den Raum und das Schwerefeld um mich herum, dann gibt es keinen Grund mehr, mich unsicher zu fühlen. Ich spüre eine Kraft, die aus dem Boden aufsteigt und mich trägt – Kräfte, die mich umgeben – und mein Körper ist wach, präsent und fähig, mit diesen Kräften in Einklang zu sein. 

 

Rolfer® werden – und bleiben 

Frage: Was hat sich in dir verändert, seit du Rolfer bist? 

Rolfer zu werden war für mich wie eine Lebensschule – und sie dauert an. Es fordert mich jeden Tag, präsent zu sein – nicht nur auf der Matte oder im Studio, sondern mitten im Alltag. 

Ich habe gelernt, dass ich niemandem helfen kann, in Balance mit der Schwerkraft zu kommen, wenn ich selbst nicht in meiner Balance bin. Und das ist nichts, was man einmal erreicht und dann behält – es ist ein täglicher Prozess. 

Rolfer zu sein bedeutet nicht, eine Technik anzuwenden. Es bedeutet, in Beziehung zu treten – mit einem Menschen, der ebenfalls versucht, sein eigenes Gleichgewicht zu finden. Jede Sitzung ist einzigartig, weil jeder Körper eine eigene Geschichte erzählt. 

Für mich liegt die Schönheit im gemeinsamen Prozess: Zwei Menschen – Rolfer® und Klient – auf der Suche nach Balance, jeder auf seine Weise, und doch miteinander verbunden.“  

Warum Yogalehrer Rolfing® entdecken sollten 

Frage: Was würdest du Yogalehrern sagen, die über eine Rolfing® Ausbildung nachdenken? 

Mach es! Die Rolfing Ausbildung vertieft nicht nur deine Yogapraxis und deinen Unterricht – sie verändert unser gesamtes Leben. Sie erweitert das Verständnis des Körpers als etwas Lebendiges, Dynamisches, das in Beziehung steht zu allem um uns herum. 

Für mich war die Rolfing-Ausbildung der natürliche nächste Schritt auf dem Weg, den Yoga begonnen hat. 

Wenn du neugierig bist, spürst du wahrscheinlich schon, dass Yoga und Rolfing® dieselbe Wahrheit auf unterschiedliche Weise ausdrücken.“ 

Ausblick 

Frage: Wie siehst du die Verbindung von Yoga und Rolfing® in deiner Zukunft? 

Wenn ich in die Zukunft blicke, sehe ich, wie Rolfing Strukturelle Integration und Yoga weiterhin mein Leben und meine Arbeit formen – als ein durchgehender Weg von Bewusstsein, Präsenz und Verbundenheit. 

In meiner eigenen Praxis sind beide längst miteinander verwoben. Die Rolfing-Ausbildung hat verändert, wie ich mich bewege, atme und meinen Körper im Raum wahrnehme. Das beeinflusst ganz selbstverständlich, wie ich Yoga ausübe – und wie ich andere darin begleite. 

In meiner Arbeit biete ich Yoga und Rolfing zwar getrennt an, aber die Haltung dahinter ist dieselbe. Wenn ich Yoga unterrichte, fließt die Präzision und das räumliche Bewusstsein aus dem Rolfing ein. Und wenn ich Rolfing praktiziere, nehme ich die Sanftheit und Achtsamkeit aus dem Yoga mit. 

Für die Zukunft wünsche ich mir, beide Ansätze noch stärker zu verbinden – vor allem dort, wo Menschen nicht nur körperliche Veränderung suchen, sondern eine tiefere Verbindung zu sich selbst. Ich bin überzeugt: Gemeinsam bieten Yoga und Rolfing kraftvolle Wege der Transformation. 

„Yoga hat mich zu mir selbst zurückgebracht – Rolfing® hat mich gelehrt, aufrecht in der Welt zu stehen.“ 


Interviewpartnerin: Renata Takllan Rogow Leung, Certified Rolfer® and Yoga Teacher, Enschede, Netherlands 

Interview & Redaktion: Sabine Becker  

Foto: © Renata Leung 

Mehr über Renata Leung
Renatas Instagram 

Mehr Informationen zur Ausbildung als Certified Rolfer®

Erfahren Sie mehr über Rolfing® Strukturelle Integration.       

Finden Sie einen Rolfer® in Ihrer Nähe.       

Neugierig auf mehr?      

Melden Sie sich für unseren Newsletteran und erhalten regelmäßig Informationen über Rolfing.     


Die Inhalte dieses Blogartikels dienen ausschließlich der allgemeinen Information über Rolfing® Strukturelle Integration. Sie ersetzen keine medizinische Beratung, Diagnose oder Behandlung. Für gesundheitliche Anliegen wenden Sie sich bitte an qualifiziertes medizinisches Fachpersonal. Rolfing® und Rolfer® sind eingetragene Marken des Dr. Ida Rolf Institute® und seiner Partnerorganisationen. Ergebnisse und Erfahrungen mit Rolfing® können individuell variieren. Die Autoren übernehmen keine Haftung für Schäden oder Verluste, die durch die Anwendung der hier beschriebenen Inhalte entstehen.